German
KONKRET fragte Walid Phares, Direktor des Future Terrorism Project in Washington. Was wollten die Terroristen von Mumbai? (German Magazine Konkret interview with Dr Walid Phares, January 2009)
|
Konkret Magazine |
Was wollten die Terroristen von Mumbai?
KONKRET fragte Walid Phares, Direktor des Future Terrorism Project in Washington. Phares hat an Universitäten in den USA, Europa und Lateinamerika über den Mittleren Osten und islamischen Fundamentalismus und Terrorismus gelehrt und verfaßt regelmäßig Analysen u.a. für Zeitungen, Fernsehsender, Regierungen und NGOs, die UN und andere internationale Organisationen, den US-Kongress und das US-Außenministerium. 2008 erschien sein Buch The Confrontation. Winning the War against Future Jihad.
konkret: Worin unterscheidet sich das Massaker von früheren islamistisch motivierten Terrorakten?
Phares: Es gibt eine gewisse Kontinuität, aber auch bedeutende Unterschiede. Die dschihadistische Bewegung des indischen Subkontinents führt diesen Feldzug gegen Ziele in Indien schon seit Jahren. Vor allem die sogenannten „Indischen Mudschaheddin“ (eine gemeinsame Gründung der Indischen Islamischen Studentenunion und Lashkar o Taiba) hatten schon vorher viele Ziele in Indien angegriffen, nicht nur im Kashmir, sondern im ganzen Land, auch in Mumbai. Die jüngste Operation war ein weiterer Angriff im Rahmen eines größeren Konflikts. Andererseits hat der jüngste Terror, zu dem sich eine Gruppe namens „Deccan Mudschaheddin“ bekannt hat, ganz neue Züge. In ihrer Erklärung behaupteten die Täter, Inder zu sein. Ironischerweise hinterließen sie jedoch gleichzeitig unerklärliche Spuren, die nach Pakistan führen: Boote, Waffen, Mobiltelefone, Telefonkarten etc. Es ist, als wäre es ihre Absicht gewesen, die Ermittlungen über die Grenze zu leiten. Was die Operation selbst betrifft, so hat sie etwas initiiert, das ich das Modell für den „Urbanen Dschihad“ genannt habe: Die Täter halten Gebäude so lange wie möglich besetzt, bis sie schließlich den Sicherheitskräften erliegen. Dies wird auch anderenorts zu einer Blaupause werden.
|
Dr Walid Phares at FDD |
konkret: Was sind die Ziele? Ist der Kashmir-Konflikt eine ausreichender Erklärung?
Phares: Der Kashmir-Konflikt ist ein ethnisch-separatistischer Aufstand im Norden Indiens. Der jüngste Angriff galt dem finanziellen Zentrum des Subkontinents. Die Erklärung der Gruppe geht weit über Separatismus hinaus: Sie fordert ein fundamentalistisches Emirat in weiten Teilen Indiens. Das ist ein ideologisches Element, das zur Indoktrination von Dschihadisten gehört. So wie ich es verstehe, ist das tatsächliche direkte Ziel, einen Angriff in Indien durchzuführen, der im Gegenzug zu einer weiteren Verschärfung der Spannungen zwischen Indien und Pakistan führen soll. Wenn zwei nuklear aufgerüstete Länder gegeneinander mobil machen, wer profitiert davon? Offenbar die belagerten Taliban und Al-Qaida-Kämpfer im westpakistanischen Wasiristan.
konkret: Viele glauben, daß die Drahtzieher der Terrorgruppe Lashkar o Taiba entstammen. Was ist deren Rolle in der globalen dschihadistischen Bewegung?
Phares: Lashkar o Taiba ist eine bedeutende dschihadistische Organisation in Pakistan, mit Verbindungen nach Indien. Laut pakistanischen Experten hat sie auch Mitglieder in der Diaspora. In früheren Erklärungen hat Lashkar o Taiba seine Allianz mit Al-Qaida im Rahmen eines großen internationalen Bündnisses erklärt. Die Gruppe gehört also einem Netz an, dessen Zentrum Al Qaeda ist.
konkret: In einem Interview haben Sie Verbindungen dieser Gruppe in die USA erwähnt.
Phares: 2002 hat ein US-Gericht eine Gruppe wegen Beteiligung an Terrortraining und anderen illegalen Aktivitäten zu Gefängnisstrafen verurteilt, die sogenannten „Virginia Gotcha-Dschihadisten“. Gerichtsakten belegen, daß diese Gruppe Verbindungen zu Lashkar o Taiba hatte und Kämpfer für Terroroperationen ausbildete, was die Ansicht der eben genannten Experten belegt, daß LoT auch auf anderen Kontinenten präsent ist.
konkret: Warum wurde in Mumbai das Jüdische Zentrum angegriffen?
Phares: Die dschihadistischen Terrorgruppen, die zu Al Qaida oder dessen Verbündeten gehören oder ihnen nahestehen, glauben, daß sie sich in einem Krieg mit den Juden befinden. Erklärungen von 1996 und 1998 erwähnen ausdrücklich „Juden und Kreuzfahrer“. Wenn sich die Möglichkeit bietet, ein jüdisches oder israelisches Ziel anzugreifen, beziehen die Planer das mit ein. So galten dschihadistische Angriffe im April 2002 einer Synagoge auf der tunesischen Insel Dscherba und, im November desselben Jahres, israelischen Touristen in Kenia. Taktische Erwägungen spielen bei solchen Entscheidungen ebenfalls eine Rolle.
konkret: In der Debatte über dschihadistischen Terror gibt es oft zwei Lager: Die einen nehmen ihn nicht ernst, die anderen sagen, er könne niemals besiegt werden. Gibt es eine Möglichkeit, diesen Krieg zu gewinnen?
Phares: Leider hinkt die Debatte der historischen und geopolitischen Wirklichkeit der dschihadistischen Bewegung hinterher. 18 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges hat der Westen immer noch Mühe, die Ideologie des Dschihadismus zu verstehen. Einige verwechseln ihn sogar mit einer sozialen Bewegung - derselbe Fehler, den manche Leute in den dreißiger Jahre angesichts der faschistischen Bewegungen in Europa machten. Verkannt wird die tiefere ideologische Natur dieser Bewegung und ihre globale Vision. Die eine Denkrichtung verkennt deren ganzen Sinn, während die andere keine Strategie hat, um der terroristischen Bedrohung zu begegnen. Die effizienteste Strategie, sie einzudämmen und schließlich auszuschalten, ist, ihre Ideologie zu kontern. Es ist an der arabischen und muslimischen Zivilgesellschaft, die Kräfte für einen solchen Wandel hervorzubringen. Am Ende gibt es keine militärische Lösung für diesen Konflikt. Die Dschihadisten werden marginalisiert werden durch den Aufstieg demokratischer Kräfte, die ein fortschrittliches Programm vorantreiben. Wenn Frauen, Studenten, Künstler, liberale Intellektuelle und sogar Gewerkschaften sich in der Region verbünden und emporkommen, dann werden die Fundamentalisten schwächer werden. Doch das Problem in den meisten dieser Länder ist, daß die dortigen autoritären Regimes kein Interesse an demokratischem Wandel haben. Also erobern die Dschihadisten die Mikrofone und dominieren die politische Kultur. Nur wenn eine demokratische Revolution über den Mittleren Osten fegt, werden die Dschihadisten isoliert werden.
© Copyright 2003-2018 by walidphares.com
Top of Page
|